Museumsbesuch

Heute war einer der wenigen Tage, an denen ich keine Termine oder Verpflichtungen hatte. Ich stand früh auf, und beschloss, endlich einmal das Neue Museum zu besuchen - etwas, was ich schon lange tun wollte, aber immer wieder vor mir hergeschoben hatte. Das Wetter war strahlend schön und fast frühlingshaft warm, so dass schon die Fahrt mit dem Fahrrad dorthin nicht nur ein Genuss war, sondern reinste Freiheits- und Freudegefühle in mir weckte.

Als ich dann das Museum betrat, war es, als ob ich zum ersten Male seit langem wieder richtig atmete. Nein, das ist keine Übertreibung! Mir wurde in diesem Moment klar, dass ich während der letzten Monate - vielleicht sogar während des gesamten letzten Jahres - immer tiefer in den Alltag verstrickt gewesen war. Dabei hatte ich zusehends den Sinn für das, was jenseits meines Tellerrandes an Wertvollem wartet, verloren, sondern war offensichtlich vom ganz Profanen gefangen gewesen - und in gewisser Weise war ich dabei meines gesunden Atems beraubt gewesen.

Nicht dass ich es ablehnen würde, die Aufmerksamkeit auf den Alltag und die darin zu erledigenden Dinge zu richten. Ganz im Gegenteil: Ein bewältigter Alltag ist die gesunde Basis für alles andere. Bei mir war es allerdings wohl so gewesen, dass ich mich mehr in diesem Alltag gesuhlt hatte, als erforderlich gewesen wäre. Das hatte sich dann zu Verstrickungen entwickelt, die Unwohlsein hevorriefen, ohne dass ich gewusst (oder es untersucht) hätte, woher denn das alles nun wirklich käme. Zu unterschiedlich waren auch die einzelnen Anlässe, bei denen dieses auftrat: Privatleben, Familie, Arbeit, sogar ganz ohne Anlass. Und doch war dieses Gefühl immer irgendwie ähnlich gewesen: eine Art lähmender, schwerer Überdruss gepaart mit massiver Ungeduld gegenüber den Umzulänglichkeiten anderer Menschen.

Heute nun, als ich durch die Sammlung des Neuen Museums ging, überkam mich plötzlich ein Gefühl tiefster Freude und Entspanntheit - dramatisch wie eine Befreiung. Was war geschehen?

Angestoßen von der Bewunderung für die teilweise atemberaubend exzellenten Exponate (z.B. des "Grünen Kopfes" und auch der Büste der Nofretete, aber auch vieler anderer), und umgeben von der großartigen und den Exponaten angemessenen Architektur, war es mir, als würde irgendetwas meinen Blick heben - weg von dem Matsch vor meinen Füßen, hin zu etwas größerem, wertvollerem, stärkerem. Im wahrsten Sinne des Wortes öffnete sich mir das Herz. Mir wurde dabei auch schlagartig klar, dass ich in der letzten Zeit das Thema "Wertschätzung und Exzellenz" vernachlässigt hatte, und dass es mit diesem Museumsbesuch wieder stärker in den Fokus gerückt ist.

 

Ablenkung durch Verantwortung

Seit ungefähr zwei Jahren war ein großer Teil meiner Aufmerksamkeit von familiären Angelegenheiten absorbiert. Jetzt, nach dem Tod meines Vaters, lichtet sich das alles ein wenig, und ich scheine einen Punkt zu finden, an dem ich mir wieder selbst näher kommen kann.

Es bewahrheitet sich die Behauptung, dass jeder Mensch nur über ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit verfügt, fast so, als wäre sie physische Materie, messbar in Kilogramm und Kubikzentimetern. Diese Aufmerksamkeit wird entweder bewusst in eine Richtung gelenkt (eher selten) oder völlig unbewusst von irgendwelchen Dingen absorbiert (der Regelfall).

Oft kommen diese aufmerksamkeitsabsorbierenden Dinge als vermeintlich wichtige Aufgaben daher, als Familienangelegenheiten (wie in meinem Falle) oder aber auch als Entwicklungen im Job, politisches Engagement usw.. Und gesellschaftlich wird die Einlassung auf diese Dinge als Tugend hochgehalten, was kein Wunder ist, kommt sie doch eben genau dieser Gesellschaft auch zugute. Es ist dann gerne die Rede von "Verantwortung". Und wenn das im einen oder anderen Fall doch nicht so ist, dann befriedigt diese Einlassung zumindest das eigene Ego, etwa indem man sich erfolgreich, vorbildlich, stark vorkommt.

Auf diese Weise wird leicht übersehen, dass hier Ablenkung passiert.

Auf mich und die letzten zwei Jahre bezogen bedeutet das vor Allem, dass meine Gedanken in dieser Zeit mit wichtigen Aufgaben, Auseinandersetzungen, organisatorischen Dingen beschäftigt waren, und gleichzeitig die Momente der Präsenz immer seltener wurden. Es fühlte sich fast wie eine fortschreitende Krankheit an, die nach und nach den gesamten Organismus durchdringt und zu beherrschen beginnt. Mir jetzt allerdings irgendwelche guten Vorsätze zu verschreiben, etwa indem ich mir vornehme, nun würde alles anders, wäre albern und reines Verstandeswerk. Vielmehr freue ich mich über den heutigen Tag, an dem ich ganz meinem eigenen Rhythmus folgend und ohne "Aufgaben" im Hinterkopf haben zu müssen, alleine in der Wohnung (bei mir) sein darf - dem ersten seit langer Zeit.



Rechtzeitiges Handeln

Nachdem ich über diese Angelegenheit geträumt hatte, habe ich gestern eine Inventur zu einer länger zurückliegenden Geschichte angefertigt, in der ich noch einmal alle möglichen Aspekte möglichst detailliert auflistete und beschrieb. Dabei wurde mir dann eine Sache klar wie nie:

Mein Hang, immer wieder gute Miene zum bösen Spiel zu machen, ist typisches Prokrastinieren, also ein Hinausschieben unangenehmer Dinge. Der Effekt ist dann der, dass auf diese Weise zum Einen eine in die Länge gezogene Leidenszeit entsteht, da der vorhandene Missstand ja weiter wirksam ist, und dass zum Anderen die in mir in dieser Zeit angestaute Leidensenergie sich dann irgendwann doch plötzlich Bahn bricht, aber auf eine unkontrollierte, übertriebene Weise, die mehr Schaden anrichtet als Dinge bereinigt - denn: wäre es bereinigt, hätte ich nicht davon geträumt.

Besser wäre es damals gewesen, schon beim ersten Anzeichen konsequent und angemessen gegenzusteuern und es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.



Änderung

Es ist gut, wieder mit Meditation angefangen zu haben. Die (neuerliche) Inspiration dazu lieferte das Buch von Sogyal Rinpoche ("Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben"), das K. mir zum Geburtstag schenkte. Mit vielen darin angesprochenen Dingen, zumal irgendwelchen formalreligiösen Aspekten sowie dem immer wieder angesprochenen Thema "Reinkarnation", kann ich absolut nichts anfangen. Was mich aber an diesem Buch berührt, ist die beständig mitschwingende "sachliche Leichtigkeit", die ich etwa auch an den Büchern G.-L.´s so schätze - weitab von Gutmenschentum und esoterischer Schwärmerei.

Dass ich dieses Buch derzeit mit soviel Genugtuung lese, zeigt mir dann auch, dass ich da etwas vernachlässigt habe in der letzten Zeit, was ich nun wiederzuentdecken beginne: Den Zugang zu meinem eigenen Fühlen. Dass ich ihn vernachlässigt habe, schiebe ich auf die vielen Konflikte und Verpflichtungen der vergangenen Jahre. Zumindest vordergründig spielt das ja auch eine Rolle. Das wäre allerdings eine allzu leichte Entschuldigung: Eher hängt es mit meiner Bereitschaft zusammen, zugelassen zu haben, dass irgendwelche von außen kommende Impulse mich von diesem Zugang abzulenken vermochten.

Und warum nun plötzlich der Wechsel? Ich kann es nicht begründen oder sonstwie "logisch" beantworten. Ich spüre nur, dass das, was bei Gurdjieff als "magnetisches Zentrum" beschrieben wird, momentan wieder aktiver wird.



Krisendoku

Nachdem ich mehrere Jahre lang nichts mehr auf Krisendoku schrieb, wurde es heute wieder Zeit.

Dabei stellte sich mir irgendwann die Frage, warum ich das überhaupt noch tue. Früher dachte ich einmal, es ginge mir um Aufklärung, um den Versuch, schlimmeres zu verhindern oder so etwas. Inzwischen habe ich erkannt, dass das ein Trugschluss war, gespeist von meinem Hang zum Gutmenschen und selbsternannten Weltverbesserer. Was Andere mir unterstellten, unterstellten sie mir zu Recht. Und es scheint außerdem so zu sein, dass sich bei den meisten Menschen Erkenntnis sowieso erst dann einstellt, wenn die eigene Existenz auf dem Spiel steht. "Aufklärung" ist dann so, als würde ich mit einem Kaktus sprechen. Und dennoch ist es mir ein Bedürfnis, zu dem Thema schreiben.

Jetzt erkenne ich, dass dieses Schreiben vor Allem ein Versuch ist, mich in der Welt, in der ich lebe, zu verorten: Wo lebe ich? Welche Konsequenzen habe ich zu erwarten? Wie gehören diese ganzen scheinbar voneinander unabhängigen Vorgänge auf dem Planeten zusammen und inwieweit betreffen sie mich?



Unredlichkeit und Naivität

Immer wieder stehen mir die Haare zu Berge, mit welch entsetzlicher Dummheit Ideen im Netz propagiert werden, die von ihren Urhebern und Verbreitern offenbar nicht im Ansatz verstanden wurden. So etwa auch dieses Video, in dem gegen die "Umverteilungsgangster" des Sozialstaates polemisiert wird, die dem anständigen Bürger mit Gewalt das Geld aus der Tasche ziehen.

Derartige Machwerke sind in meinen Augen zunächst einmal Zeugnis für die Verlogenheit ihrer Urheber: de facto wird hier nämlich nur das propagiert, was man gemeinhin das Recht des Stärkeren nennt - es wird aber nur leider an keiner Stelle ausgesprochen. Stattdessen ist von "Freiheit", "persönlicher Entfaltung" und ähnlichem die Rede. Ich finde, wenn man schon solch eine Meinung vertritt, dann sollte man es wenigstens ehrlich tun.

Sie sind aber auch Ausdruck einer erschreckenden Naivität, denn diese Leute haben sich offensichtlich in der Welt, in der sie leben, noch nicht annähernd umgeschaut. Stattdessen sitzen sie zuhause bei ihren Gartenzwergen gemütlich bei einem Tee, und brüten genussvoll irgendwelche absurden Theorien aus. Wäre es anders, dann wüssten sie nämlich, dass es derartige Freiheitsparadiese bereits zuhauf auf diesem Planeten gibt - und es jedem, der möchte, freisteht, dort zu leben und diese Zustände zu genießen.

Es handelt sich um all jene Länder, die über keinerlei funktionierendes Steuerwesen, kein soziales Netz, kein unabhängiges Rechtswesen und keine staatlich finanzierte Infrastruktur verfügen. Somalia, Irak, Guatemala usw. - allesamt Gesellschaften, in denen Mord und Totschlag den Alltag beherrschen, in denen die schöne "Freiheit des Einzelnen" nichts weiter ist als die tägliche Sorge ums Überleben, in denen Willkür und Unterdrückung täglich Brot sind und Duckmäuserei die beste Lebensstrategie darstellt. Man möchte sagen: Nichts wie hin in die freien Paradiese!

Ich respektiere es durchaus, wenn jemand eine kontroverse Meinung vertritt, ich lehne aber die Unredlichkeit, mit der das hier geschieht, entschieden ab.

Ich bin ja auch durchaus der Meinung, dass hier in Europa vieles verbesserungswürdig ist. Aber dafür gibt es ja (zumindest ansatzweise) einen demokratischen Diskurs sowie die Möglichkeit, durch eigene Beteiligung Änderungen auf den Weg zu bringen. Ein organisiertes Gemeinwesen in der Wurzel abzulehnen, wie es hier getan wird, ist in meinen Augen allerdings nichts als schiere Dummheit.

Interessanterweise ist der Irrtum dieser Leute exakt derselbe, den sie "den Sozialisten" (zu Recht) vorwerfen: ein falsches Menschenbild.

Sozialistische Träumer gehen davon aus, dass ein Mensch mit ganzer Kraft, aber selbstlos, für die Gesellschaft zu wirken bereit ist, und dass daraus dann eine prosperierende, friedliche Gesellschaft erwächst.

Libertäre Träumer glauben allen Ernstes, dass lediglich freiwillige Hilfsbereitschaft der so genannten "Leistungsträger" ausreicht, um einen Ausgleich zu bewerkstelligen (und was immer ein Leistungsträger sein mag: am Ende ist es dann doch immer der, der die besseren Kanonen und das meiste Geld besitzt (vgl. existierende Beispiele in der Welt)). Menschliche Eigenschaften wie Gier, Desinteresse, Selbstzufriedenheit, Bequemlichkeit und Empathielosigkeit werden da einfach ausgeblendet. Womöglich gibt es auch noch ein paar ganz Verbohrte, die absolut keinen Ausgleich für Kranke, Schwache usw. für nötig halten - aber denen kann man dann eigentlich nur noch wünschen, dass sie selbst einmal in eine echte Notlage geraten.

Wer allen Ernstes für eine Gesellschaft ganz ohne regulierten Sozialausgleich eintritt, beweist seine Unkenntnis von der Natur des Menschen - und sollte dringend damit anfangen, sich in Selbstbeobachtung zu üben. Womöglich findet er da Dinge, die ihm zu denken geben.



Über den Stolz, Deutscher zu sein

Im Netz fand ich ein Video, in dem der Autor beklagt, dass es heutzutage verpönt ist, zu sagen, man sei stolz, Deutscher zu sein. Gerade in diesen Tagen, in denen Asylantenheime im Namen des deutschen Volkes angezündet werden, ist das ein Thema, das mich selbst berührt. Von daher lohnt es sich, dieses Video hier zu reflektieren.

Im Video wird über das Wort "Stolz" an sich gesprochen, festgemacht an der Frage, wie man denn auf etwas stolz sein könne, das man selbst nicht geleistet habe. Hier teile ich die Ansicht des Autors völlig: Bei diesem Gefühl, das da Stolz genannt wird, geht es nicht um eigene Leistungen, sondern eher um ein Gefühl der Verbundenheit: Ich lebe in dieser Kultur, bin in sie involviert und bin folglich auch gefühlsmäßig ein Teil von ihr und bin dann auch "stolz" auf ihre Errungenschaften - was gleichbedeutend ist mit "ich freue mich darüber" und "es stärkt mich" und "ich bin dankbar dafür".

Aber genau an dieser Stelle begeht der Autor den ersten großen Fehler, den alle Deutschtümler (und Amerikatümler und sonstige Tümler) begehen: Schönrednerei und Aufplusterung. Bei mir führt diese Verbundenheit, um die es geht, nämlich automatisch auch dazu, dass, wenn etwas schiefläuft in dieser Kultur, ich mich genauso dafür schäme - schämen muss. Und zwar nicht (wie der Autor behauptet), weil ich ein Denkverbot verpasst bekommen hätte, oder weil ich irgendeine dumpfe Vergangenheitslast (2. Weltkrieg und Holocaust) mit mir herumtragen würde. Nein, in dieses Klischee falle ich definitiv nicht. Worum es mir geht, ist einzig und alleine die Gegenwart - und da liegt, wie man in diesen Tagen sehen kann, einiges im Argen.

Stattdessen wird jede Kritikfähigkeit in diesem Video als "Dummheit" und "Beschränktheit" abgetan, und zur Bestärkung mit eindeutig falschen Argumenten aufgewartet, warum die deutsche Kultur anderen Kulturen überlegen sei. Da heißt es, keine Kultur habe so viele Beiträge zur klassischen Musik geleistet wie die deutsche (stimmt sogar), zur Wissenschaft (stimmt für eine Zeitphase, die damit endete, dass die meisten maßgeblichen Wissenschaftler aus guten Gründen sich von Deutschland abwandten), zur Philosophie (stimmt nicht), zur Architektur (stimmt definitiv nicht).

Ganz besonders drastisch offenbart sich der Irrtum des Autors aber in der Behauptung, es gäbe keine Sprache auf der Welt, die so tief und reich sei wie die deutsche. Damit sagt der Autor aber eigentlich nur, dass Deutsch die einzige Sprache ist, die er wirklich beherrscht. Meine Erfahrung ist, dass andere Sprachen genauso vielschichtig, differenziert und tiefgründig sind wie das Deutsche. Und tatsächlich weiß eigentlich jedes Kind, dass jede Sprache so tief und reichhaltig ist wie der, der sie verwendet.

In eine ähnliche Richtung läuft die Aussage des Autors, er wäre ja schon in so vielen Ländern gewesen, weshalb er all diese Kulturen kenne und er sich deshalb ein Urteil erlauben dürfe. Tatsache ist: Wenn man mal als Tourist ein paar Wochen in einem Land war, kennt man eine Kultur noch lange nicht. Wenn man ein paar Jahre in ihr gelebt hat, kennt man sie bestenfalls teilweise. Man lernt definitiv mehr über Kulturen (die eigene und andere), wenn man zwei Jahre an einem fremden Ort gelebt hat, als wenn man hundert Länder jeweils für ein paar Wochen bereist hat. Aus solchem Oberflächenwissen Urteile und Bewertungen abzuleiten ist jämmerlich.

Dass man mich nicht falsch versteht: Ich finde es wichtig, das, was man an Wertvollem hat, auch wertzuschätzen - das sehe ich genauso wie der Autor. Ich finde es aber falsch, Dinge zu überhöhen und zu glorifizieren.  Darin offenbaren sich nämlich Borniertheit und Verknöcherung - Dinge die man stets bei jenen antrifft, die ihr eigenes Ich, in diesem Falle das "Deutschland-Ich", verteidigen zu müssen glauben. Man kultiviert seinen eigenen Vorgarten und baut einen Jägerzaun darum.

Bis hierher wäre das Ganze zwar ein wenig traurig, aber auch weitgehend unwichtig. Tatsache ist aber auch, dass Worte, ob man es will oder nicht, stets eine Wirkung besitzen - zumindest, wenn sie nicht einfach so dahergesagt sind. So zu tun, als sei es anders, ist schlichtweg dumm. (Und man braucht da auch gar nicht zu bejammern, hier würde einem der Mund verboten oder so etwas. Es ist einfach mal so: Von sowat kommt sowat. Jeder kann sagen, was er möchte. Er sollte nur wissen, dass auch die Verwendung von Worten eine verantwortliche Handlung ist.) Das Hochhalten einer sklerotischen Idee wie die, eine Nation sei wichtig, anderen Nationen überlegen gar, bewirkt dann folgerichtig auch genau das: Verknöcherung - und egal, wie sehr der Autor beteuern mag, dem sei nicht so: Je höher der Jägerzaun (das Ego), desto größer der Knall, wenn er fällt (wenn es platzt).

Ich habe mich schon sehr oft mit dem Thema, Deutscher zu sein, auseinandergesetzt - zwangsläufig bedingt durch die Tatsache, dass ich als Deutscher im Ausland aufwuchs. Und immer wieder landete ich beim selben Ergebnis: Es geht immer um den Menschen, mit dem ich zu tun habe, niemals um die Nation, der er angehört. Ich fühle mehr Verbundenheit mit einem aufrechten, ehrlichen, offenen, gefühlvollen, kreativen Nichtdeutschen (ja, die gibt es!) als mit einem duckmäuserischen, verlogenen, bornierten, dumpfen, parasitären Deutschen (ja, die gibt es auch!). Und ob die Kultur, der dieser Mensch entstammt, das Pulver erfunden hat oder nicht, ist mir dann tatsächlich scheißegal.   In Wirklichkeit sind es immer die Parasiten und Duckmäuser, die sich hinter einer Idee wie "Nation" verstecken müssen. Ist ja auch klar warum: Wer nicht selber lebt, muss durch eine Gruppe leben.

Nachtrag: Und wer schon über Kulturgeschichte referieren zu müssen glaubt, der sollte dann zumindest erwähnen, dass der zivilisatorische Fokus über die Jahrtausende von Land zu Land gewandert ist, und dass er auch weiter wandern wird. Schließlich quakten in Deutschland noch die Frösche, als in anderen Ländern bereits Zentralheizungen gebaut und der Buchdruck erfunden wurde. Was Deutschland angeht: auch dieses Land spielt da keine Sonderrolle. Es liegt an den Deutschen selbst, ob sie zur Zivilisation beizutragen bereit sind oder zerstörerisch wirken wollen. In der Vergangenheit haben sie beides getan. Und nun zählt die Gegenwart.