Jetzt habe ich schon seit geraumer Zeit nichts mehr auf diesen Seiten geschrieben. Der Grund für die Nichtaktivität ist aber nicht etwa Desinteresse oder Faulheit, sondern die Tatsache, dass ich auf einen Punkt gestoßen bin, der alles auf den Kopf zu stellen scheint, was ich hier bislang tat. Daraus entsteht die Notwendigkeit, diese Seite neu zu gestalten.
Worum geht es konkret?
Es geht um das, was gemeinhin als „innen“ und „außen“ bezeichnet wird (ich nenne es hier
Esoterik und Exoterik), und um das,
was „ich“ in diesem Kontext bin.
Der Fehler
Bislang war ich irrtümlich davon ausgegangen (und mir scheint, den meisten Leuten, die sich überhaupt Fragen zur Selbsterkenntnis stellen, geht es ähnlich – von denen, die nicht einmal das tun, ganz zu schweigen), dass da etwas „in mir“ ist, was „ich selbst“ sei. Dieses „Innere“ ströme dann irgendwie aus „mir“ heraus wie Wasser aus einem Brunnen und bringe sich in die schnöde Umwelt ein. Was dieses Innere aber genau sei – alleine darum drehte sich dann noch die Frage bei der Suche nach Selbsterkenntnis. Manche
nennen es dann die eigene „Individualität“, andere die „Seele“, die eigene „Persönlichkeit“, das „wahre Ich“, das „Herz“ usw.. Immer aber ist es etwas, was „in“ der jeweiligen Person lokalisiert sein soll, und darauf drängt, herauszusprudeln, um aus der Welt einen besseren Ort zu machen. So, oder so ähnlich.
Selbsterkenntnis hängt – auf diese Weise betrachtet – dann auch fast nur noch mit der Fähigkeit zusammen, dieses „eigene Innere“ zu identifizieren um es dann in der Welt wirken zu lassen. Ein dazu passendes neudeutsches Wort ist „Selbstverwirklichung“, das geradezu zur Handlungsmaxime einer ganzen sich selbst als aufgeklärt bezeichnenden Generation geworden ist.
Der grundlegende Irrtum an dieser Stelle ist, dass der Suchende sich von Anfang an mit diesem Inneren identifiziert und es in Gegensatz zur äußeren Welt stellt. Was ist die Folge? Egoismus, Borniertheit, Rücksichtslosigkeit, das sogenannte „esoterische Ego“. Je nach den herrschenden Umständen kann sich dies dann auf sehr grobe Art und Weise äußern, als Intoleranz und Gewalttätigkeit gar, oder aber als die scheinbar harmlose überlegen lächelnde Dünkelhaftigkeit irgendwelcher Gutmenschen – und nicht zuletzt in
Form irgendwelcher gefeierter „Erfolgsmenschen“, die als die personifizierten Halbgötter jener Idee herhalten und „Vorbild“ sein sollen. All das ist aber ein und dasselbe und gleichermaßen falsch – und ist einfach nur die Folge einer Haltung, die das, was „innen“ angesiedelt ist, über das stellt, was sich „außen“ befindet, es als „echter“ hinstellt als die äußere „Lügenwelt“, und sich dann das Recht herausnimmt, dieses Äußere in ihrem Sinne zu manipulieren und im Endeffekt dann auch zu verkorksen. Jede Religion,
jede Sekte, jede Weltanschauung und Ideologie hat hier ihren Ursprung. Und hier ist auch der tiefere Sinn jenes allzu wahren – und immer aktuellen – Spruches angesiedelt, der da lautet:
„Das Schlechte passiert immer im Namen des Guten.“
Kurzum, der große Fehler war bislang, dass ich Esoterik betrieb (oder zu betreiben glaubte), und dabei ihre Schwester, die Exoterik geringschätzte.
Es ist dies der Fehler, den, wie ich jetzt sehe, die allermeisten Menschen machen, die sich überhaupt auf das Experiment Selbsterkundung einlassen –
mit der Folge, dass das Wort „Esoteriker“ inzwischen eine negative Konnotation besitzt, und Menschen bezeichnet, die sich seltsam kleiden und in
selbstverliebter Nabelschau Mantren summen und nach Räucherwek riechen.
Und das Wort „Exoterik“ haben die meisten noch nicht einmal gehört.
Tatsächlich sind die Wörter „Esoterik“ und „Exoterik“ als Einheit betrachtet der Schlüssel zur Selbsterkenntnis, und haben derartiges
Missverständnis nicht verdient.
Die Erkenntnis
Um es vorweg zu sagen: Was ich hier als "neue" Erkenntnis beschreibe, ist natürlich nichts wirklich neues, sondern eine alte Wahrheit, die ich hier nur noch
einmal neu und für mich ausformuliere.
So gibt es etwa schon lange den Jesus zugeschriebenen Spruch
“Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.”
Er beschreibt nichts anderes als das, worum es
mir hier geht (auch wenn der Spruch zumeist als Äußerung zum Thema „Politik und Religion“ (miss)verstanden wird). Der Kaiser steht hier für die Exoterik, Gott
für die Esoterik. Es geht dabei aber nicht um die Trennung beider Dinge, begleitet von dem Irrglauben, man könne es sich aussuchen, wem man da „diene“, sondern
um die unleugbare Tatsache, dass der
Mensch beidem gleichermaßen ausgesetzt ist, ohne es in der Hand zu haben, sich für das Eine oder das Andere entscheiden zu können (wie etwa viele religiöse Fanatiker, aber
auch viele Radikalmaterialisten es gerne hätten).
Passend ist auch ein Wahlspruch der Alchemisten:
„Wie oben, so unten; wie innen, so außen“
Er soll nicht etwa bedeuten, dass alles gleichförmig und sowieso egal ist,
sondern lediglich, dass das Eine und das Andere zusammengehören wie das Ei und das Huhn.
Und eigentlich beantworten diese beiden Zitate dann auch schon die Fragen, um
die es mir hier geht, nämlich "Wer bin ich?", oder etwas weiter gefasst: "Was
ist der Mensch?", oder auch: "Wo bin ich? Bei Gott oder beim Kaiser? Innen oder außen?"
Sowohl als auch. Bei Gott und beim Kaiser. Innen und außen. Beides gleichermaßen.
Was sich mir dann erschließt, ist ein Bild, in dem der Mensch als fühlendes, wahrnehmendes Wesen eine dünne Haut bildet zwischen dem, was in ihm als
biologische Einheit vorgeht, und dem, was außerhalb ist. In beiden Räumen, dem Körperinneren und der Umwelt (und sie sind jetzt tatsächlich als physische Räume zu verstehen),
laufen irgendwelche physikalisch-chemisch-biologisch-energetisch-emotional-kognitiv-psychologisch-intellektuelle Prozesse ab, die innen wie außen den gleichen Gesetzen folgen, und die folglich direkt aufeinander
einwirken: die inneren Vorgänge wirken nach außen, die äußeren Vorgänge nach innen – ohne dass es da eine wirkliche Trennung, einen prinzipiellen Unterschied gäbe.
Und das, was ich dann wahrnehme, ist nichts anderes als diese Auseinandersetzung, diese gegenseitige Beeinflussung. Man könnte auch sagen: die Reibung zwischen beiden. Und wenn
ich dann „Ich“ sage, dann ist es eben nicht vor Allem der innere Raum (meines Körpers einschließlich Gedanken und Emotionen), sondern die Wahrnehmung der
Auseinandersetzung dieses inneren Raumes mit der Außenwelt.
„Ich“ als bewusstes Wesen, als Wahrnehmender, bin dann einfach nur der Zaunzeuge dieser Vorgänge, denen es auch völlig egal ist, ob ich sie
sehe oder nicht. Es spricht sogar viel dafür, dass „ich“ noch nicht einmal das bin, ein Wahrnehmender.
Eher sogar bin „ich“
nur eine Art Echo, man könnte auch sagen die „Abwärme“ dieser Vorgänge. Ich entstehe mit diesen Vorgängen und verschwinde mit ihnen auch wieder.
Mir kommt da auch das Bild eines Luftballons in den Sinn: Innen wie außen befindet sich dasselbe Gas,
nämlich Luft. Inneres und äußeres sind nur durch eine dünne Haut voneinander getrennt,
die aber ihrerseits keinerlei Einfluss auf die Form des Ballons zu nehmen vermag. Wird von außen auf den Ballon gedrückt, so verformt er sich. Wird zusätzliches Gas eingefüllt,
so dehnt er sich, verliert er Gas schrumpft er. Die Haut wäre in diesem Vergleich das, was ich hier als „Ich“ bezeichne. Verändert sich die Form der Haut, verändert
sich
auch dieses „Ich“ – und äußere Einflüsse verändern es genauso wie innere Vorgänge.
Und so erlebe ich es im Alltag: Eben noch war „ich“ glücklich und zufrieden (oder traurig und niedergeschlagen), hatte diese oder jene Gefühle und Gedanken,
jene oder diese Körperempfindung, und plötzlich ändert sich das alles von einem Moment auf den anderen – sei es durch innere Einflüsse (etwa durch ein plötzlich
eingetretenes körperliches Bedürfnis oder einen jähen Gedanken) oder durch äußere (etwa eine unerwartete Nachricht oder einen Wetterumschwung). Mehr noch: Verändert sich
an einer Stelle etwas (etwa
durch einen neuen Job) so verändert sich hundertprozentig auch an anderer Stelle etwas (etwa in der Beziehung).
Das, was ich für mich hielt, mein Selbstbild, existierte in
dieser Form exakt so lange, wie der Ballon nicht verändert wurde – und zwar egal, ob von innen oder außen. Und wer kennt nicht das Gefühl, plötzlich nicht mehr der zu
sein, der er eben noch war? Änderungen können drastisch oder weniger drastisch verlaufen (letztere machen meistens Angst, denn sie weisen genau auf die Tatsache hin, über die
ich hier schreibe, im Gegensatz zu ersteren, die leicht verdrängt werden können) – aber im Prinzip sind sie Folge der immer selben Tatsache, nämlich, dass
das „ich“ weniger Substanz besitzt als ein Furz im Wind (oder, poetischer: eine Träne im Regen). Und warum? Weil es gar nicht als einheitliches Wesen existiert.
Es ist ein Produkt esoterischer und exoterischer Ereignisse im Wechselspiel.
Und das, was sowohl von außen als auch von innen auf diese Ballonhaut einwirkt ist das, was woanders als „Lebensenergie“ bezeichnet wird –
als Summe aller natürlichen Prozesse in diesem Zusammenspiel. Gesundheitliche Gebrechen, Naturkatastrophen, Gefühle, Nahrung, Einflüsse aller Art, private Auseinandersetzungen
und noch viel, viel mehr: alles gehört dazu.
„Ich“ bin in diesem Zusammenspiel lediglich das Produkt, bestenfalls der Zeuge – auf keinen
Fall aber bin ich der Erschaffer.
Ja, diese Erkenntnis klingt zunächst einmal nicht besonders ermutigend. Wurde mir nicht gelehrt, ich sei ein freies Wesen, das sein Leben in die Hand nehmen muss und dem kein
Ziel unerreichbar ist? Und plötzlich bin ich nur noch „Abwärme“? Oder „die Haut eines aufgeblasenen Ballons“? Es ist wirklich ernüchternd.
Die Korrektur
Was diese Webpräsenz betrifft, so besteht die Korrektur, die ich nun vornehme, darin, die esoterischen und exoterischen Aspekte möglichst getrennt voneinander zu
betrachten.
Damit hoffe ich, den bislang als prinzipiell empfundenen Unterschied zwischen „innen“ und „außen“ letztendlich als das zu entlarven,
was er in Wirklichkeit ist: nicht existent.
Es versteht sich von selbst, dass keiner der „getrennt“ aufgeführten Texte in Reinform „esoterisch“
oder „exoterisch“ sein kann. Es wird darin stets nur die eine oder andere Seite stärker betont.
Berlin, den 07.02.2015